Im August bin ich gestartet - nun haben wir bereits Dezember. Die ersten Wochen fühlten sich wie ganz normaler Urlaub an, doch so langsam bekommt das Ganze eine andere Dynamik. Man schweift mehr in der Vergangenheit und überlegt, was die Zukunft so bringt ... Wieder stellen sich die altbewährten Fragen - "Wo und wie leben?", "Wo und was arbeiten?", "Was sind meine Ziele?", "Was will ich noch erreichen?", ... Auf die ein oder andere Frage habe ich hier schon eine Antwort gefunden, auf andere Antworten warte ich noch ...
Ich merke, dass ich ein "Schön-Wetter-Fotograf" bin. Es werden hauptsächlich die schönen Seiten belichtet. Durchaus gibt es hier in Südamerika auch Schattenseiten... Doch ich bin immer noch der
Meinung, dass zum Fotografieren eine gesunde Moralvorstellung gehört. Ich halte mich fest an meine Vorsätze - Personen werden nicht unvorteilhaft abgelichtet und schon gar nicht ohne
Einverständnis. Ich erinnere mich an ein Erlebnis in Indien. Der Monsunregen prasselt herunter, ein spärlich, abgemagerter Mann steht in Old-Delhi mitten auf der Straße, nass vom Regen.
Er zittert am ganzen Körper. Als wäre dieses Szene nicht schlimm genug, stellt sich eine Touristin direkt davor und lichtet ihn von allen Seiten ab. Ich schüttele nur den Kopf - heute würde
ich mehr Courage wünschen. Weiter bezahle ich niemals Geld für ein Foto. Ich lade gerne zum Tee ein, komme gerne ins Gespräch, aber Geld bezahlen werde ich nie!
Armut findet sich auch in Südamerika - zum Glück nicht ganz so drastisch wie in Indien! So viele haben gewarnt, dass Südamerika so gefährlich sein soll. Es gab bisher nur eine Situation, nachts in Quito, in der ich mich unwohl gefühlt habe. Ansonsten kann ich mich hier gut und frei bewegen, was nicht heißen soll, dass man nicht Acht gibt auf sich und sein Umfeld. Gestern erst wurde einem jungen Peruaner die Tasche entrissen, doch alle Leute, die in der kleinen Gasse spazierten, halfen ohne Überlegung, ohne zu zögern mit, den Dieb zu stoppen. Von diesem selbstlosen Handeln kann sich Deutschland eine Scheibe abschneiden. Kurz darauf bekam der Mann, der neben mir an der Ampel stand, einen epileptischen Anfall - nun galt es an mich, zu handeln. Gott sei Dank gab es erst letztes Jahr die Informationsveranstaltung an der Schule. Glücklicher Ausgang - dem Mann ging es nach einiger Zeit wieder gut.
Zeit zum Nachdenken werde ich die nächsten Tage haben, denn morgen um 8.00 Uhr peruanischer Zeit ist es so weit ... ich werde den Inka-Trail beginnen. Lange habe ich überlegt, ob ich es angehen
soll - zu touristisch, zu anstrengend, zu hoch, die kalten Nächte im Zelt, das wechselhafte Wetter in den Bergen, zu viele Bedenken! Es wird schwerer als ich gedacht habe. Die Einführungs- und
Informationsveranstaltung erschreckt mich und ich überlege, das Ganze abzublasen - aber nein, jetzt gibt es kein Zurück mehr. Ich habe einen Schlafsack, eine Iso-Matte und Wanderstöcke gemietet.
Zudem habe ich einen "Schlepper" - der 6 kg meines Gepäcks trägt. Weiter werde ich mit Schokolade, Cocatee, Wasser und allen Mahlzeiten versorgt. 42 Km durch die Anden - das sind im Durchschnitt
10 km pro Tag - das hört sich so lächerlich einfach an ... aber in dieser Höhe ... scheiß anstrengend! Der 2. Tag wird die Hölle - 5 000 Treppenstufen. Für 10 km brauch man 10 Stunden, um den
Death-Woman-Pass von 4300 Meter zu überwinden. Ich werde wahrscheinlich wütend auf mich sein, stinksauer und traurig, warum ich so ein Blödsinn mache und vollkommen fertig mit der Welt sein. Aber
es geht auch langsam - 5 Stufen - 5 Minute Pause - 5 Stufen - 5 Minuten Pause - ... ICH WILL DAS UNBEDINGT SCHAFFEN!!!!!! Obwohl es wohl das Härteste ist, was ich bisher gemacht habe...
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